top of page

»Gedanken für den Tag«

Suche
  • AutorenbildWilhelm Sonnemann

Wer bin ich?

Wer bin ich? Sie sagen mir oft, ich träte aus meiner Zelle gelassen und heiter und fest wie ein Gutsherr aus seinem Schloß. Wer bin ich? Sie sagen mir oft, ich spräche mit meinen Bewachern frei und freundlich und klar, als hätte ich zu gebieten. Wer bin ich? Sie sagen mir auch, ich trüge die Tage des Unglücks gleichmütig, lächelnd und stolz, wie einer, der Siegen gewohnt ist. Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen? Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß? Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig, ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle, hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen, dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe, zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung, umgetrieben vom Warten auf große Dinge, ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne, müde und leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen, matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen? Wer bin ich? Der oder jener? Bin ich denn heute dieser und morgen ein anderer? Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler und vor mir selbst ein verächtlich wehleidiger Schwächling? Oder gleicht, was in mir noch ist, dem geschlagenen Heer, das in Unordnung weicht vor schon gewonnenem Sieg? Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott. Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott! (Dietrich Bonhoeffer) "Herr, erquicke mich um deines Namens willen; führe mich aus der Not um deiner Gerechtigkeit willen, denn ich bin dein Knecht!" Psalm 143,11 f

 

Axel Kühner "Hoffen wir das Beste"

© 1997 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 9. Auflage 2016

Mit freundlicher Genehmigung des Verlage


Text ausdrucken

Diesen "Gedanken für den Tag" versenden

32 Ansichten

Eine Frau erkrankt an Krebs. Zusammen mit guten Ärzten kämpft sie einen langen und schweren Kampf. Operationen und schmerzhafte Behandlungen wechseln sich mit Zeiten der Besserung und Hoffnung ab. Ihr

In seinem Stück "Süßer Vogel Jugend" lässt Tennessee Williams einen Vater zu seinem Sohn sagen: "Erinnerst du dich noch an die Brosche, die ich damals für deine Mama gekauft habe? Das Letzte, was ich

Wohl mir, dass ich JESUM habe, o wie feste halt ich ihn, dass er mir mein Herze labe, wenn ich krank und traurig bin. Jesum hab ich, der mich liebet und sich mir zu eigen gibet, ach, drum lass ich Jes

Stichwortsuche in

"Gedanken für den Tag"

Gedanken für den Tag

bottom of page