"Warum werden wir geboren, wenn wir doch sterben müssen?" fragt mich ein elfjähriger Junge nach einem Gottesdienst. - Ich antworte ihm mit anderen Fragen: Warum bereitet deine Mutter ein schönes Essen, wenn es doch verzehrt wird? - Warum sät der Bauer im Frühjahr aus, wenn er im Herbst die Frucht aberntet? - Warum entspringt der Fluss als Quelle, wenn er doch ins Meer wieder einmündet? - Warum verloben sich zwei junge Leute, wenn sie kurze Zeit später doch heiraten? - Warum startet ein Marathonläufer, wenn er bald darauf ans Ziel kommt? - Warum beginnen wir morgens eine Wanderung, wenn wir abends wieder nach Hause kommen? - Warum gehen wir zur Schule, wenn wir sie eines Tages beenden? - Warum waschen wir uns, wenn wir doch wieder dreckig werden? - Warum stehen wir morgens auf, wenn wir abends doch zu Bett gehen? - Warum blüht eine Sommerblume auf, wenn sie doch bald verwelkt?" - Da unterbricht mich der Junge und sagt: Jetzt verstehe ich, unser Leben ist nicht sinnlos, weil es begrenzt ist. Es zielt auf einen Sinn und eine Vollendung hin." - "Das Wichtigste ist, dass wir zwischen Geborenwerden und Sterben das ausleben, wofür wir geschaffen sind. Gott hat uns zur persönlichen Beziehung mit ihm bestimmt, und wenn wir unser Leben mit Gott leben, reift es aus zu einer wunderbaren Frucht für Gott! Dann ist das Sterben nicht das schreckliche Ende, sondern die glückliche Vollendung eines sinnvollen Lebens!" erkläre ich ihm dann. Nachdenklich geht der Junge davon. - Lassen wir uns keine Ruhe, bis wir diesen Sinn wiederfinden, auszureifen für Gott.
Herr, meinen Durst nach Leben
stillst nur du allein.
Ich will im Strom deines Lebens
eine Welle sein.
Nur eine Welle, die vor Freude schäumt,
weil sie in dir entspringt,
und die noch im Zerfließen davon träumt,
daß sie den Durst'gen Wasser bringt.
(Manfred Siebald)
Axel Kühner "Überlebensgeschichten für jeden Tag"
© 1991 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 21. Auflage 2018
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages
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