Macht Arbeit in einem freien Land, in einer freien Wirtschaft, unter menschenwürdigen Bedingungen und für gutes Geld den Menschen frei? Wer Arbeit hat und seinen Unterhalt verdient, ist in der Regel frei von der Sorge um das alltäglich Notwendige und frei für manchen Genuß im Leben. Leistungsfähig und genussfähig sind die Zauberworte unserer Gesellschaft. Arbeit kann viel Freude machen, Würde ausdrücken und Erfüllung schenken. Aber immer wieder bedrückt und zwingt die Arbeit den Menschen, erniedrigt ihn bisweilen zum Arbeitstier und stempelt ihn zur Arbeitskraft. Im Riesengetriebe einer modernen Leistungsgesellschaft werden Menschen oft zu funktionierenden Rädchen, zu auswechselbaren Funktionen, zu Kosten- und Risikofaktoren. Die heutige Gesellschaft hat ungewollt drei Mittel, um den Menschen in einer Art Sklaverei zu halten: Die Arbeit, das Geld und die Freizeit. Erfolgsdruck, Geldgier und Genusssucht sind die Mächte, die den Menschen beherrschen. Mit der Arbeit möchten Menschen möglichst viel Geld verdienen, mit dem Geld möglichst viel Vergnügen kaufen, aber sie merken dabei nicht, dass sie sich auf diese Weise als Sklaven verkaufen. Und das nennt man dann Freiheit! Aber auch Arbeitslosigkeit und Geldmangel sind nur die Kehrseite der gleichen Unfreiheit. Gott hat dem Menschen die Arbeit als wunderbare Gabe anvertraut. Doch durch den Bruch mit Gott ist auch die göttliche Gabe zu einer menschlichen Verlegenheit geworden. Ob arbeitssüchtig oder arbeitslos, die Menschen sind nicht frei. Ob man die Arbeit vergötzt und als Lebenserfüllung überfordert oder sie verteufelt und als Lebenshinderung unterschätzt, man offenbart nur eine tiefe Verkrampfung. Gott möchte den Menschen nicht als Arbeitskraft ansehen und gebrauchen. Er möchte uns als seine Partner lieben, die dann aus Liebe und im Sinne Gottes auch arbeiten und wirken. Gott ist immer erst Gastgeber, Ratgeber und dann auch Arbeitgeber. Nicht unsere Arbeit macht uns frei, sondern seine Liebe zu uns. Sie hilft, auch in der Arbeit frei zu sein. Alles Mühen des Menschen ist für seinen Mund, aber sein Verlangen bleibt ungestillt. Prediger 6,7
Axel Kühner "Hoffen wir das Beste"
© 1997 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 9. Auflage 2016
Mit freundlicher Genehmigung des Verlage
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