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"Gedanken für

den Tag"

»Gedanken für den Tag«

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  • AutorenbildAxel Kühner

Gott zu Besuch

Ein frommer Rabbi pflegte jeden Tag in den Tempel zu gehen. Da überkam ihn eines Tages der Wunsch, Gott zu begegnen. Und er trug auch gleich seine Bitte im Tempel vor: "Seit Jahren, Herr, komme ich täglich hierher. Jetzt wäre es mir recht, wenn du auch mal in mein Haus kommen würdest und mich besuchtest!"

Da antwortete Gott: "Geht in Ordnung. Morgen komme ich! Mach alles bereit!"

Der fromme Rabbi lief eiligst nach Hause und traf alle Vorbereitungen für den Besuch. Er scheute keinen Aufwand und keine Mühe.

In aller Frühe des nächsten Tages, als das ganze Haus schon nach Sauberkeit, Kuchen und Süßspeisen duftete, kam ein kleiner Junge vorbei und bat um ein Stückchen Kuchen. Der Rabbi versuchte zu beschwichtigen: "Morgen, mein Junge, morgen sollst du deinen Kuchen bekommen. Heute, nein, das geht nicht; heute kommt Gott zu Besuch!" Und er schickte den kleinen Störenfried weg. Aber Gott schien es an diesem Tag gar nicht so eilig zu haben; er ließ lange auf sich warten. Mitten hinein in diese erwartungsvolle Atmosphäre platzte ein müder Wanderer. Es war schon Mittag geworden, und er hatte Hunger. "Nein, heute nicht!", beschied ihm der fromme Rabbi, "weißt du, heute kommt Gott; da störst du bloß!" Der Tag neigte sich dem Ende zu, und Gott ließ immer noch auf sich warten. Als die Spannung schier unerträglich wurde, klopfte ein verschmutzter, kranker Bettler an die Tür. Auch er bekam vom frommen Rabbi eine Abweisung: "Bitte, heute nicht. Morgen, wenn du willst, aber bitte nicht heute! Heute kommt Gott. Er muss jede Minute hier eintreffen. Geh, du störst bloß!"

Aber Gott kam nicht - nicht an diesem Tag. Und voller Zorn und Enttäuschung legte sich der fromme Rabbi schlafen. Am nächsten Morgen war seine Wut noch nicht verraucht, und er überhäufte Gott im Tempel mit derben Anklagen und zornigen Vorwürfen: "Seit Jahr und Tag komme ich hierher. Ist es da zu viel verlangt, wenn du ein einziges Mal zu mir kommen sollst?!"

Doch Gott antwortete: "Was willst du denn? Dreimal war ich bei dir. Dreimal hast du mich wieder weggeschickt!" (Eine jüdische Parabel)


Dann wird er ihnen antworten und sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr nicht getan habt einem von diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan!

(Matthäus 25,45)



Axel Kühner "Zuversicht für jeden Tag"

© 2002 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 7. Auflage

2017 / Mit freundlicher Genehmigung des Verlages

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