Mit Recht fürchten wir das Alleinsein. Schon Gott hat ganz am Anfang über uns gemeint: "Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei!" Und so haben es Menschen auch immer als bedrückend empfunden, wenn sie ganz allein waren.
Aber als Ergänzung zum Miteinander und von der Urbedeutung des Wortes her verliert das Alleinsein das Bedrückende. Im Ursinn bedeutet Alleinsein: All-eins-Sein! Einmal wäre das, dass in mir alles eins ist: Leib und Seele, Gabe und Grenze, Arbeit und Ruhe, Sein und Schein, Fernweh und Heimweh, Wahrheit und Liebe, Herkunft und Zukunft. Bin ich mit allem in mir eins und versöhnt? Wer so mit sich eins und identisch ist, kann gut allein und ebenso mit anderen zusammen sein.
Zweitens hieße es, mit allen eins zu sein. Ohne Groll und Hass auf andere, ohne jemanden zu beneiden oder zu verachten, die tiefe Solidarität mit allen Menschen zu empfinden. So anders andere Menschen sind, ich kann mit mir und zugleich auch mit allen versöhnt und eins sein.
Und drittens wäre es auch, mit dem All, also mit Gott und seinem Weltall, eins zu sein. Mit Gott und seiner Schöpfung, mit Jesus und seinem Heil, mit der Geschichte und ihrer Verheißung und mit der Kreatur und ihrer Sehnsucht nach letzter Erlösung eins zu sein.
Ein solches All-eins-Sein mit allem in mir, mit allen anderen und mit Gott, in dem Alles zusammengefasst ist, wäre eine Gestalt des Alleinseins ohne Schrecken, aber mit viel Zauber und die beste Voraussetzung für ein gelingendes Miteinander.
Denn in ihm ist alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Mächte oder Gewalten, es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen. Und er ist vor allem, und es besteht alles in ihm.
(Kolosser 1,16f)
Axel Kühner "Zuversicht für jeden Tag"
© 2002 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 7. Auflage
2017 / Mit freundlicher Genehmigung des Verlages
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