Ein Hebräer aus dem Sundgau ging jede Woche einmal in seinen Geschäften durch ein gewisses Dorf. Jede Woche einmal riefen ihm die mutwilligen Büblein durch das ganze Dorf nach: "Jud! Jud! Judenmauschel!" Der Hebräer dachte: Was soll ich tun? Schimpf ich wieder, schimpfen sie ärger, werf ich einen, werfen mich zwanzig. Aber eines Tages brachte er viele neugeprägte, weißgekochte Baselrappen mit, wovon fünf so viel sind als zwei Kreuzer, und schenkte jedem Büblein, das ihm zurief: "Judenmauschel!"einen Rappen. Als er wieder kam, standen alle Kinder auf der Gasse: "Jud! Jud! Judenmauschel! Schaulem lechem!" Jedes bekam einen Rappen, und so noch etliche Mal, und die Kinder freuten sich von einer Woche auf die andere und fingen fast an, den gutherzigen Juden lieb zu gewinnen. Auf einmal aber sagte er: "Kinder, jetzt kann ich euch nichts mehr geben, so gern ich möchte, denn es kommt mir zu oft und euer sind zu viel." Da wurden sie ganz betrübt, sodass einigen das Wasser in die Augen kam, und sagten: "Wenn ihr uns nichts mehr gebt, so sagen wir auch nicht mehr Judenmauschel." Der Hebräer sagte: "Ich muss mir's gefallen lassen. Zwingen kann ich euch nicht." Also gab er ihnen von der Stund an keine Rappen mehr, und von der Stund an ließen sie ihn ruhig durch das Dorf gehen. (Johann Peter Hebel) Vergeltet niemandem Böses mit Bösem! Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann! Römer 12,17
Axel Kühner "Zuversicht für jeden Tag"
© 2002 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 7. Auflage
2017 / Mit freundlicher Genehmigung des Verlages
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