In einem Konzentrationslager lebte einmal ein Gefangener, der, obwohl zum Tode verurteilt, furchtlos und frei war. Eines Tages sah man ihn mitten auf dem Gefängnisplatz Gitarre spielen. Eine große Menge versammelte sich um ihn, denn unter dem Zauber der Musik wurden alle genauso furchtlos wie er. Als die Gefängnisaufseher das merkten, verboten sie dem Mann zu spielen. Aber am nächsten Tag war er wieder da, sang und spielte auf seiner Gitarre, und die Menge um ihn war größer als zuvor. Wütend schleppten sie ihn weg und zerquetschten seine Finger. Am nächsten Tag war er wieder da, sang und spielte, so gut er mit seinen blutenden Fingern konnte. Dieses Mal jubelten ihm die Menschen zu. Die Wärter schleppten ihn fort und zerschlugen seine Gitarre. Am nächsten Tag sang er aus ganzem Herzen. Was für ein Lied! So rein und beglückend. Die Menge fiel ein, und während des Singens wurden ihre Herzen so rein wie seines und ihr Geist genauso unbesiegbar. Dieses Mal waren die Wärter so wütend, daß sie ihm die Zähne ausschlugen. Stille breitete sich über dem Lager aus. Zu jedermanns Erstaunen war er am nächsten Tag wieder da und wiegte sich tanzend zu einer tonlosen Musik, die nur er hören konnte. Und bald faßten sich alle an den Händen und tanzten um diese geschundene Gestalt in der Mitte, während die Wachen wie angewurzelt dastanden. (Nach Anthony de Mello) "Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat!" (Römer 8,37) "Alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat!" (1. Johannes 5,4)
Axel Kühner "Hoffen wir das Beste"
© 1997 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 9. Auflage 2016
Mit freundlicher Genehmigung des Verlage
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