Wie ein starkes Gift zersetzt lieblose Kritik die Netze des Miteinander. Aber die Kritiksucht ist ein Bumerang, der auf den Kritiker zurückfällt. Wer immer nur andere kritisiert, sagt nämlich gar nichts über die anderen, er sagt sehr viel über sich selbst und seine enge Lieblosigkeit.
In der griechischen Sagenwelt lebte Momus, der Gott der Kritik. Es gab keinen Gegenstand, der nicht sein Missfallen erregte. Einst veranstalteten Jupiter, Minerva und Neptun einen Wettbewerb. Es ging darum, den vollkommensten Gegenstand zu schaffen. Jupiter machte einen Mann, Minerva ein Haus und Neptun einen Stier. Die Götter wurden eingeladen, um ihr Urteil zu fällen. Momus hatte an allem etwas auszusetzen. Der Mann hatte kein Fenster in der Brust, durch das man seine Gedanken lesen konnte. Dem Haus fehlten die Räder, um es aus böser Nachbarschaft wegzubringen. Der Stier hatte die Hörner nicht unter den Augen, so dass er die Stöße nicht richtig abschätzen konnte. Schließlich machte sich Momus so unbeliebt, dass ihn die anderen Götter aus ihrem Kreis ausschlossen.
In unseren Gemeinden sollte jede aufbauende und mitwirkende Kritik willkommen sein, aber die spitzfindige, lieblose Kritiksucht sollte draußen bleiben. Ein Pfarrer schrieb unter seinen Gemeindebrief einen Nachsatz: "Lieber Leser, sollten Sie einen Druckfehler entdecken, bedenken Sie bitte, dass er absichtlich gemacht wurde. Es gibt immer Leute, die nur nach den Fehlern suchen, und unser Blatt möchte doch für jeden etwas bieten!"
Einer ist Richter, der retten und verdammen kann. Wer aber bist du, der du den anderen richtest?
Jakobus 4,12
Axel Kühner "Eine gute Minute, 365 Impulse zum Leben" © 1994 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 11. Auflage 2015 /
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages
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